Musik für die Mission
Noch nie gehörte Klänge in der Klosterkirche Marienrode
Hildesheim (bph) Das hat die Klosterkirche von Marienrode in ihrer reichen Geschichte wohl noch nicht erlebt: eine musikalische Erstaufführung. Zum ersten Mal im deutschen Sprachraum erklangen dort am vergangenen Sonntag Lieder aus dem 18. Jahrhundert, die lange verschollen gewesen waren.
Den Stücken war ihre Herkunft nicht anzuhören. Klassisch, fein gesetzt schlich sich die Motette "O dulcissime Iesu" in das Ohr der Zuhörer bei der sonnabendlichen Vesper in der Klosterkirche Marienrode. Entstanden ist dieses Werk aber nicht in einer europäischen Komponistenstube, sondern wahrscheinlich in einer der Missionsstationen der Jesuiten in Bolivien im 18 Jahrhundert. Irgendwann geriet es in Vergessenheit und wurde von einem Herrn Piotr Nawrot wieder ausgegraben. Susanne Moldenhauer (Sopran), Lenka Zupkova (Violine), Sven Holger Philippsen (Cello) und Klaus-Hermann Anschütz an der Orgel erweckten das keineswegs verstaubte Werk in Marienrode wieder zum Leben.
Offenbar gab es unter den missionierenden Jesuiten in Bolivien einige musikalisch Begabte, erklärt Klaus-Hermann Anschütz. Es sind nämlich zahlreiche Kompositionen aus den Missionsstationen erhalten geblieben. Allerdings von wechselnder Qualität. "Manche Stücke weisen eklatante Satzfehler auf", hat der Musikexperte bei der Durchsicht bemerkt. Für die Vesper in Marienrode hatte er daher die besten Stücke ausgewählt. Offenbar stand bei den Missionaren im Bolivien des 18. Jahrhunderts nicht die kompositorische Perfektion im Vordergrund, sondern die Lust am Musizieren. "Diese Stücke hatten wohl einen missionarischen Hintergrund," vermutet Organist Anschütz.
Die Vesper in Marienrode bildete einen der Höhepunkte der Reise von acht bolivianischen Bischöfen in das Bistum Hildesheim. Von Rom kommend hatten sie in Hildesheim Station gemacht. Das Bistum unterhält seit 15 Jahren eine Partnerschaft mit Bolivien. Erzbischof Edmundo Abastoflor und der Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer fanden im Rahmen der Vesper und des anschließenden Empfanges denn auch bewegende Worte für diese Partnerschaft. "Für mich ist sie ein Zeichen für die Anwesenheit des Herrn", sagte der bolivianische Erzbischof in der überfüllten Kirche.