Kirche muss Welt-Kirche sein
Bischof Dr. Josef Homeyer predigte bei der Wallfahrt in Ottbergen
Hildesheim/Ottbergen (bph) Eine Tendenz der Kirche zum Rückzug aus der Welt hat der katholische Bischof Dr. Josef Homeyer am Sonntag bei der Diözesanwallfahrt in Ottbergen bei Hildesheim beklagt. Wenn die Kirche dem Menschen dienen wolle, müsse sie sich auf die Welt einlassen, so Homeyer.
Das Kreuz vorneweg, begleitet vom Schwarz-Gelb der Kolping-Fahnen in das sich einige rote Farbtupfer der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) mischten. So machte sich der Prozessionszug am Sonntagnachmittag um 14 Uhr vom Kloster der Franziskaner auf den Weg zum Kapellenberg. Bei strahlendem Sonnenschein waren nach Schätzung der Franziskaner rund 3.500 Gäste aus dem ganzen Bistum gekommen, um den Prozessionsweg mitzugehen. Aus Harsum, Borsum, Dinklar und anderen Gemeinden kamen die Gläubigen teilweise zu Fuß oder mit dem Fahrrad nach Ottbergen. Auch einige Mitglieder des Hildesheimer Domkapitels und andere Geistliche begleiteten den Bischof, der unter einem Baldachin die Monstranz zur Kapelle trug, auf seinem Weg.
Bischof Dr. Josef Homeyer war in diesem Jahr selbst nach Ottbergen gekommen. In seiner engagierten Predigt setzte er sich kritisch mit Rückzugstendenzen der Katholiken auseinander, die einem "frommen Abschied von der Welt" gleich kämen. Eine rettende und dienende Kirche, wie sie von Gott gewollt sei, dürfe eine vermeintlich schlechte Welt nicht anklagen, sondern müsse dem Leidenden ins Gesicht schauen, sagte der Bischof. "Wenn wir hier gemeinsam ‚Großer Gott’ singen und danach Arbeitslose und Verzweifelte nach Hause gehen, ohne menschlichen Beistand zu erfahren, dann wirft das einen dunklen Schatten auf dieses herrliche Lied", so Homeyer wörtlich. Dabei müsse sich die Kirche immer wieder bewusst machen, dass sie nur aus dem Glauben an den Herrn Kraft schöpfen könne für ihren Dienst am Menschen.
Mitgestaltet wurde der Gottesdienst vom Gospelchor Wendhausen unter der Leitung von Christian Scharf und dem Musikverein Ottbergen mit Dirigent Karl Fleige. Unter den Teilnehmern der Wallfahrt war in diesem Jahr Pater Norbert Plogmann, Provinzial der Sächsischen Franziskanerprovinz mit Sitz in Hannover. Die Franziskaner von Ottbergen, die zur Sächsischen Provinz gehören, versehen seit mehr als hundert Jahren den Wallfahrtsdienst in Ottbergen.
Dazu gehört auch der Dienst am Wallfahrer-Nachwuchs. Nach der Messe verteilte Pater Werner von den Franziskanern gemeinsam mit dem Bischof denn auch Süßigkeiten an die Kinder. Für alle Wallfahrer gab es danach Kaffee und selbst gebackenen Kuchen im katholischen Pfarrheim und auf dem Platz vor dem Kapellenberg. Der Erlös soll guten Zwecken zufließen.
Entstanden ist die Wallfahrt 1680, in den Jahren der Pest. Nachdem ein Schäfer auf einer Anhöhe bei Ottbergen die Vision eines Kreuzes gehabt hatte, pilgerten die Menschen aus der Umgebung dorthin, um für Rettung vor der Pest zu beten. Eine erste Kapelle aus Holz musste 1727 einer größeren Steinkapelle weichen. Im 18. Jahrhundert wurde die Wallfahrt durch eine Kreuzreliquie bereichert. Zum 300. Jubiläum der Ottbergener Wallfahrt 1980 förderte der damalige Bischof Heinrich Maria Janssen die Neugestaltung der Kapelle. Von wenigen Unterbrechungen abgesehen, zum Beispiel im 2. Weltkrieg, wurde die große Ottbergener Wallfahrt jedes Jahr durchgeführt.