Im Mittelpunkt steht der Mensch
Hildesheimer Bischof fordert in seiner Silvesterpredigt eine Umgestaltung des Sozialstaats
Hildesheim (bph) Der Sozialstaat muss neu erdacht werden. Nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern vor allem aus ethischen Gründen, sagte der Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer in seiner Predigt zum Jahresende 2003 im Hildesheimer Dom.
Der massive Ausbau des Sozialstaates in den vergangenen Jahrzehnten steht nach Homeyers Ansicht in einem starken Kontrast zur Selbstverwirklichung der Menschen: Während sich das Leben der Bürger immer individueller, immer "möglicher und patchworkhafter" gestaltete, so Homeyer, wurden andererseits die Kosten der Freiheit ausgelagert an die sozialen Systeme. Dabei seien häufig bewährte Formen der gesellschaftlichen Solidarität verloren gegangen, beklagte das Oberhaupt des Hildesheimer Bistums. Dies betreffe vor allem die Auflösung der Familie, nicht zuletzt da der Zusammenhalt der Generationen wegen des Geburtenrückgangs zerrieben zu werden drohe. Homeyer bedauerte in seiner Silvesterpredigt, dass der Sozialstaat in den letzten Jahrzehnten nicht nur Solidaritäten geschaffen, sondern auch Solidaritäten, die über Generationen selbstverständlich gewesen seien, ausgehöhlt habe.
Das Soziale müsse daher neu gedacht werden, formulierte Homeyer in Anspielung auf ein kürzlich veröffentlichtes Impulspapier der Deutschen Bischofskonferenz, das wesentlich unter Homeyers Führung entstanden ist. Es dürfe nicht darum gehen, zum Wohlfahrtsstaat der 70er und 80er Jahre zurück zu kehren. Ein nach dem christlichen Menschenbild erneuerter Sozialstaat müsse vielmehr die Kosten der Freiheit gerechter verteilen und zugleich die großen Risiken des Lebens absichern. Er solle einerseits Familie, Nachbarschaft und gesellschaftliches Engagement stärken und andererseits die Selbstverwirklichung der Bürger garantieren, so Homeyer. Kurzum: "Wir müssen dem Einzelnen mehr zutrauen und das Einstehen füreinander wieder fördern." Der Staat habe nicht zu versorgen, sondern müsse Hilfe zur Selbsthilfe geben.
Dies resultiert nach Homeyers Ansicht nicht zuletzt aus dem christlichen Menschenbild vom mündigen, selbst verantwortlichen Menschen. Deshalb hätten die Christen eine kritische Beistandspflicht gegenüber der Gesellschaft. "Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt, nicht den Staat", so Homeyer wörtlich.