"Furteffentlich und hochgelert"
Ortsfremde machten Karriere als Bischöfe von Hildesheim
Hildesheim (bph) Der Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer muss sich für seine Vorgänger nicht schämen. Fähige und ehrbare Menschen (persona provida et honesta) seien sie gewesen, behaupten die Quellen von den Bischöfen des 13. Jahrhunderts. Neue Untersuchungen zeigen, dass hinter diesen Höflichkeitsfloskeln oft ganz weltliche Interessen steckten.
"Der war gar ein furteffentlicher, hochgelerter her", so lobt der Hildesheimer Bürgermeister Hans Wildefuer in seinem Werk "beschreibung der leben der bischoven von Hildeßhaim" den Bischof Konrad II. Ein gewagtes Urteil, lagen zwischen dem Druck des Buches (1538) und der Regentschaft des Bischofs (1221-1247) doch immerhin gut drei Jahrhunderte. Welcher Menschentyp der Bischof auch immer gewesen sein mag: Bei den Mitgliedern seines Domkapitels stand er offenbar in hohem Ansehen.
Das muss aber nicht unbedingt an seinem Charakter gelegen haben, meinen Dr. Jürgen Wilke und Dr. Jürgen Petersen. Die beiden Historiker arbeiten am Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte seit eineinhalb Jahren an einer Geschichte der mittelalterlichen Bischöfe von Hildesheim. Tausende von Quellen haben sie studiert und dabei eine interessante Entdeckung gemacht: Konrad II. und seine beiden Nachfolger Heinrich I. (Bischof von 1247-1257) und Johannes I. (1257-1260) haben ihre Wahl zum geistlichen Oberhaupt des Bistums nicht zuletzt ganz weltlichen Motiven zu verdanken. Gewählt wurden die Bischöfe nämlich von den Mitgliedern des Domkapitels, und die wollten vor allem einen "Chef", der ihre irdischen Güter mehrt. So erzählen die Quellen ausführlich, welche Güter und Rechte die Bischöfe für die Kirche erwarben, welche Klöster sie gründeten und welche Stiftungen sie zugunsten der Domherren tätigten. Dass Bischof Konrad II aber an der Heiligsprechung Elisabeths von Thüringen beteiligt war, kommt in den Quellen kaum vor. Nur kurz wird erwähnt, dass Konrad viermal in Sachen des Kreuzes und der römischen Kirche über die Alpen nach Rom an den Hof Kaiser Friedrichs II zog – unter großen Mühen und Kosten, wie die Quellen ausdrücklich betonen.
Noch etwas anderes fällt auf, wenn man die drei Bischofsbiographien vergleicht: Alle drei stammten aus angesehenen Familien, die ihren Sitz außerhalb der Diözese Hildesheim hatten. Sie waren also "Ortsfremde" – und gerade dadurch für das Domkapitel interessant! In jenen Tagen war es nämlich völlig normal, dass weltliche und geistliche Herrscher auch das Wohl ihrer eigenen Adelsgeschlechter im Sinne hatten. Einen adligen Priester aus dem Bistum zu nehmen, schien dem Domkapitel wohl zu riskant. Der hätte wahrscheinlich zuerst an die eigene Familie und dann erst an die geistlichen Herren am Domhof gedacht. Es passt auch ins Bild, dass die Quellen ausführlich von der Verwaltungserfahrung der Bischöfe berichten. Alle drei hatten sich zuvor schon auf "Managerebene" anderer Diözesen bewährt, ehe sie auf den Hildesheimer Bischofsstuhl gewählt wurden.
Zur Ehrenrettung der drei Bistumsoberhäupter muss man jedoch sagen, dass sie wohl über ihre wirtschaftliche Kompetenz hinaus tatsächlich beeindruckende Persönlichkeiten gewesen sind. Unabhängig voneinander loben Zeitgenossen an Konrad II seine Engagement, seine Redegewandtheit und seine theologische Kompetenz. Heinrich I wird als "gereifte Persönlichkeit" beschrieben und an Johannes I beeindruckte seine Fähigkeit, bei mächtigen wie auch einfachen Leuten Sympathie zu erwecken.
Was werden die Historiker in sieben Jahrhunderten über den heutigen Bischof Dr. Josef Homeyer berichten? Welche Charakterisierung wünscht er sich denn selbst? "Dass er versucht hat, ein treuer Diener Jesu Christi zu sein in einer Zeit des Umbruchs und der Herausforderungen", beantwortet der Hildesheimer Bischof diese etwas ungewöhnliche Frage. Als er am 13. November 1983 zum Bischof geweiht wurde, hatte das sicher keine wirtschaftlichen Hintergründe. Welcher seiner Gaben und Fähigkeiten hat er dann aber sein Bischofsamt zu verdanken? "Das wird eine der ersten Fragen sein, die ich dem lieben Gott stelle, wenn ich ihm einst begegnen werde," sagt er mit verschmitztem Lächeln.
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Hintergrund: Biographien Hildesheimer Bischöfe
Seit Anfang 2000 arbeiten die beiden Geschichtswissenschaftler Dr. Jürgen Wilke und Dr. Stefan Petersen an Biographien der Hildesheimer Bischöfe von 1221 bis 1527. Erscheinen soll dieses Werk in der "Germania sacra"-Reihe. Diese umfangreiche Reihe wurde vor Jahrzehnten begonnen und soll einmal die Geschichte aller geistlichen Institutionen (Bistümer, Orden, Klöster etc.) im deutschsprachigen Raum bis zur Reformation beschreiben. Das Projekt der beiden Historiker war zunächst auf zwei Jahre angelegt und wird unter anderem vom Bistum Hildesheim finanziert. Ihren "Dienstsitz" haben Wilke und Petersen am Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte. Leider drohen die beiden ein Opfer ihres wissenschaftlichen Fleißes zu werden, denn bei den Recherchen zu den Bischofsbiographien stießen sie auf weit mehr Quellen, als vermutet. So musste zunächst eine umfangreiche Datenbank aufgebaut werden, deren Auswertung noch mindestens ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen dürfte. Läuft die Förderung tatsächlich Ende des Jahres aus, ist ihr Projekt gefährdet: Das wissenschaftliche Fundament wäre dann zwar gelegt, aber die Auswertung noch lange nicht abgeschlossen. So hoffen die beiden Wissenschaftler auf weitere Geldgeber, um die Lebensgeschichten der mittelalterlichen Bischöfe von Hildesheim dem Dunkel der Archive entreißen zu können.