Falscher Freund Alkohol
Immer schneller geraten Jugendliche in den Sog des Rausches
Hildesheim (bph) Tröster, Freund – Zerstörer! Meist zeigt der Alkohol erst nach Jahren sein wahres Gesicht. Und die Abhängigen sind immer jünger, schneller als früher werden Jugendliche alkoholkrank. Die Kampagne "Mit uns kommst Du klar!" der katholischen Selbsthilfegruppe für Suchtkranke "Kreuzbund e.V." richtet sich deshalb vor allem an junge Menschen.
Mit seinen 30 Jahren hat Torsten Zarth schon mehr erlebt als für ein ganzes Menschenleben reicht. Doch aus seiner Stimme klingt kein Stolz, eher die Verzweiflung eines Menschen, der gegen das Ertrinken kämpft. Und dabei hatte alles so verheißungsvoll angefangen. Aufgewachsen in der ehemaligen DDR hatte Torsten Zarth kurz nach der Wiedervereinigung einen Ausbildungsplatz zum Außenhandelskaufmann bei der Landeszentralbank Berlin bekommen. Damals entdeckte der schüchterne, junge Mann den Alkohol als Mittel, um sich bei den Ausbildungskollegen beliebt zu machen. "Ich wollte etwas darstellen und habe daher viel getrunken", erzählt er heute. Der Alkohol als Freund, um sich Freunde zu machen – das ging natürlich auch ins Geld. Bald floss der Alkohol in fröhlicher Runde nämlich auf seine Kosten: "Damals habe ich riesige Geldsummen in die Hand genommen."
Ein Selbstmordversuch 1991 war der Anfang vom Abstieg. Nachdem er versucht hatte, sich von einer Brücke zu stürzen, wurde er in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen und verlor seinen Ausbildungsplatz. Grund für diese gescheiterte Verzweiflungstat war aber nicht der Alkohol. Vielmehr sei ihm damals schlagartig seine Homosexualität bewusst geworden, erklärt er. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dieser sexuellen Neigung und seinem Alkoholkonsum? "Ja natürlich", antwortet Torsten Zarth ohne Zögern, "ich habe wohl versucht, diese Problematik wegzusaufen."
Die folgenden zehn Jahre waren eine Abfolge von Arbeitsversuchen, die allesamt an seinem Alkoholismus scheiterten. Unterkünfte in möblierten Zimmern, bei Trinkfreunden und diversen Kliniken lösten einander ab. Torsten Zarth verliebte sich in einen Mann, für den er auf den Strich ging, wo er auch vergewaltigt wurde. Diese Partnerschaft scheiterte ebenso wie eine Ehe. Durch diese Biographie zog sich wie ein roter Faden die Abfolge von Trinkexzessen, Entgiftungen, Phasen der Enthalt-samkeit und erneuten Rückfällen.
"Eine typische Trinkerkarriere", sagt Jupp Bohlscheid, der die Pressearbeit für den Hildesheimer Diözesanverband des Kreuzbundes betreut. Als er den verzweifelten, jungen Mann vor wenigen Monaten in der katholischen Beratungsstelle "k:punkt" in der Innenstadt Hannovers kennen lernte, lud er ihn zum "Kreuzbund" ein. Thomas Zarth kam und hat es bis heute nicht bereut. Die Gesprächsrunden mit den anderen Alkoholkranken tun ihm gut. Hier kann er loswerden, was ihn bewegt, ohne Strafe, Belehrungen oder Zurückweisung fürchten zu müssen. Torsten Zarth weiß, dass ihm der Kreuzbund nicht die Verantwortung für sein Leben abnehmen kann, aber die anderen Betroffenen unterstützen ihn bei der Lösung seiner Probleme. Als "Politik der kleinen Schritte" umschreibt Jupp Bohlscheid dieses Prinzip. "Damit ein Vorsatz auch durchzuhalten ist, muss er so klein wie möglich sein."
Für sein weiteres Leben hat Torsten Zarth denn auch zunächst eher bescheidene Pläne: Er möchte weiterhin trocken bleiben und bald eine eigene Wohnung finden. Hat er darüber hinaus noch Träume? "Ich möchte wieder einen Partner finden und dann ein geregeltes Leben führen" – und zum ersten Mal huscht ein Lächeln über sein schmales Gesicht.
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Reden gegen den Alkohol
"Mit uns kommst Du klar!" ist eine bundesweite Kampagne der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) und wendet sich an junge Menschen mit Suchtproblemen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass Jugendliche in immer jüngeren Jahren alkoholabhängig werden, da sie – anders als früher – häufig verschiedene Drogen einnehmen und mehrfachabhängig sind.
In der Region Hannover wird diese Kampagne vom Kreuzbund e.V. durchgeführt, unterstützt von der Barmer Ersatzkasse und dem Diözesan-Caritasverband. Kern der Kampagne ist eine Veranstaltungsreihe in Hannover, die am Dienstag, 23. April 2002, um 17 Uhr im Pavillon am Raschplatz mit Vorträgen und Überraschungsgästen eröffnet wird. Am 2., 8., 16. und 23. Mai finden jeweils um 17 Uhr Symposien statt, in denen sich Fachleute den Fragen Jugendlicher zum Thema "Sucht" stellen. Am 2. Mai nehmen Lehrer, Eltern und Kirchenvertreter auf dem Podium Platz (Ort: Schule St. Ursula, Südstadt), am 8. Mai Ärzte und Klinikfachpersonal (Ort: Ärztekammer Niedersachsen, Berliner Allee). Juristen und Polizeibeamte beleuchten das Thema am 16. Mai aus rechtlicher Sicht (Ort: Pavillon am Raschplatz) und am 23. Mai haben sich Politiker und Vertreter von Krankenkassen und Rentenversicherungen angesagt (Ort: Pavillon am Raschplatz). In Osnabrück, Hildesheim, Duderstadt und Lehrte wird es begleitende Veranstaltungen geben.
Im Rahmen der Kampagne wurden zudem Tausende von Plakaten, Postkarten, Aufklebern und Faltblättern gedruckt. Sie machen die Telefonnummer 0221-8905904 bekannt, unter der man die Adresse der nächst gelegenen Selbsthilfegruppe erfahren kann.
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Weggefährten gegen den Alkohol
Der Kreuzbund kümmert sich um Suchtkranke und deren Angehörige. Ebenfalls betroffene "Weggefährten" begleiten den Patienten auf seinem Weg in die Abstinenz. Ein wichtiges Prinzip des Kreuzbundes ist die Gruppenarbeit. Sie soll dem Betroffenen helfen, seine Probleme zu lösen, eine bejahende Lebenseinstellung zu erreichen und sich in der Realität des Alltags zurechtzufinden. Dabei legt der Kreuzbund großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit Ärzten, Psychologen, Seelsorgern und Sozialarbeitern. Der Kreuzbund ist ein Fachverband der Caritas.
Anschrift des Kreuzbund-Diözesanverbandes Hildesheim:
Vordere Schöneworth 10, 30167 Hannover
Telefon (0511) 880272, Fax (0511) 880282
E-Mail: geschaeftsstelle(ät)kreuzbund-hildesheim.de
Internet: www.kreuzbund-hildesheim.de