Erfahrungen mit im Koffer
Drei junge Bolivianer arbeiteten ein Jahr im Bistum Hildesheim
Hildesheim/Braunschweig/Göttingen (bph) 13 Monate haben drei junge Bolivianer im Bistum Hildesheim verbracht, als Botschafter der Partnerschaft des Bistums Hildesheim mit dem südamerikanischen Land. Wenn sie Ende Mai in ihre Heimat zurückfliegen, packen sie viele wertvolle Erfahrungen mit in ihre Koffer.
"In Bolivien werden wir schockieren mit Planung", sagt Fabiola lachend und zeigt ihren Terminkalender. Auch Marianela hat nach 13 Monaten Deutschland ein anderes Zeitgefühl gewonnen. "In Bolivien verabreden wir uns eher locker", meint sie diplomatisch. Auch ansonsten sei die Zeit in Deutschland für Marianela, Fabiola und Juan eine wertvolle Erfahrung gewesen, erzählen sie in beachtlichem Deutsch, das sie zumeist erst hier gelernt haben. Und machen dabei doch deutlich: Deutschland ist zwar anders als Bolivien, aber nicht unbedingt besser. In ihrer südamerikanischen Heimat, wo alle drei in der kirchlichen Jugendarbeit tätig waren, zählt die Gemeinschaft viel mehr als hier. "Deutsche leben viel individueller", ist Fabiolas Eindruck. Das Gemeindeleben und die Gottesdienste hier seien weniger lebhaft, dafür ritualisierter als in ihrer Heimat meinen alle drei übereinstimmend. Und dabei haben sie seit ihrer Ankunft im Mai 2002 in drei völlig verschiedenen Gemeinden gelebt und gearbeitet, organisiert vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und begleitet durch die jeweiligen Bezirksstellen der Katholischen Jugend:
Marianela Arrazola Pinto (26) hat die letzten 13 Monate in der Braunschweiger Gemeinde St. Marien verbracht, wo sie im Katholischen Kindergarten mitarbeitete. Außerdem war sie im Bolivienausschuss des BDKJ und engagierte sich in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) St. Mariens. Ebenfalls mit Kindern, nämlich behinderten, hat Fabiola Perez Sotomayor (31 Jahre) in der Braunschweiger Oswald-Berkhan-Schule gearbeitet: Spielen, Tanzen "und ein wenig Spanisch unterrichten" berichtet sie schmunzelnd. Ihre Erfahrungen mit dem Pfadfinderstamm "Scouts Avaroa" ihrer Heimatstadt Camiri brachte sie in die Arbeit mit der DPSG St. Aegidien ein und arbeitete ebenfalls im BDKJ mit.
In den Süden des Bistums hatte es Juan Leon Aparicio (24 Jahre) verschlagen. Sein Koffer stand in den vergangenen 13 Monaten in einem Göttinger Studentenwohnheim und angegliedert war er an die Pfarrei St. Paulus, wo er beim BDKJ mitarbeitete. Doch Dank eines Mopeds von Pfarrer Franz Kurth konnte der landwirtschaftlich interessierte Südamerikaner auswärts als Praktikant wertvolle Erfahrungen sammeln: beim Öko-Bauernhof Etzenborn, dem Ökoring Walsrode, einer Agrar-Consulting-Agentur und bei Raiffeisen Göttingen.
Haben die drei Freiwilligen ihren Aufenthalt in Deutschland bereut? Heftiges Kopfschütteln bei allen. Marianela lässt durchblicken, dass sie auch persönlich sehr von ihren Erfahrungen hier profitiert hat. "Ich bin gewachsen und besser gerüstet, um in meinem Leben fortzuschreiten." Die Erfahrungen in Deutschland weiten den Blick – auch auf die eigene Heimat. Fabiola ist vor allem der Gegensatz zwischen dem starken Gemeinschaftsdenken der Menschen in ihrer Heimat und dem deutschen Individualismus aufgefallen. Ein wenig von der deutschen Mentalität möchte sie auch in ihre alte Heimat hinüberretten, "den Menschen dort sagen, dass die Gemeinschaft nicht alles ist".
Die letzten 13 Monate haben immerhin so stark geprägt, dass Marianela und Fabiola über einen Berufswechsel nachdenken. Beide haben in Bolivien in der Wirtschafts- und Finanzverwaltung gearbeitet. In Braunschweig fanden sie Geschmack an der Arbeit mit Kindern. Wie wird es in Bolivien beruflich weiter gehen? Ein Lächeln ist die Antwort. Juan, der Jüngste aus der Gruppe, will in seiner bolivianischen Heimatstadt Tarija sein wirtschaftswissenschaftliches Studium abschließen.
Eines aber ist für Marianela, Fabiola und Juan Ehrensache: Auch in Bolivien wollen sie sich weiterhin in der katholischen Jugendarbeit engagieren und in Kommissionen für die Partnerschaft mit dem Bistum Hildesheim arbeiten. Ob mit oder ohne Terminkalender!