Ein Nuntius als Bischofsmacher
Hildesheim erfuhr 1929 erst aus der Zeitung von seinem neuen Oberhirten
Hildesheim (bph) Ein Hildesheimer Bistum, das aus der Zeitung von seinem neuen Bischof erfährt; ein Apostolischer Nuntius, der sein doppeltes Spiel spielt und ein herzkranker Theologieprofessor, der "inständigst fleht", nicht Bischof werden zu müssen – das sind drei der merkwürdigen Umstände, unter denen Nikolaus Bares 1929 Bischof von Hildesheim wurde.
Es liest sich spannend, was Thomas Flammer dem Dunkel der Vatikanischen Geheimarchive entrissen hat. Seit gut einem Jahr können Forscher in Rom die Akten aus den Jahren 1922 bis 1939 einsehen. Flammer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Katholischen Fakultät in Münster, hat das getan. Über das Ergebnis berichtete er jetzt vor dem "Verein für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim".
Der Hildesheimer Bischof Joseph Ernst war am 5. Mai 1928 gestorben und das Domkapitel schickte sich nach alter Sitte an, in Absprache mit der Preußischen Staatsregierung den neuen Bischof zu wählen. Diese Eigenständigkeit war Rom schon lange ein Dorn im Auge und der Apostolische Nuntius des Papstes in Berlin, Kardinal Eugenio Pacelli (später Papst Pius XII) – ging sehr geschickt daran, dem Hildesheimer Domkapitel dieses Wahlrecht zu entreißen.
Damals wurde zwischen dem Vatikan und Preußen ein Vertrag verhandelt, das spätere "preußische Konkordat", in dem das Wahlrecht eines Bischofs neu geregelt werden sollte. Unter Hinweis auf die laufenden Verhandlungen hielt Pacelli die Hildesheimer Domherren monatelang hin. Während am Hildesheimer Domhof Listen mit geeigneten Bischofskandidaten entworfen wurden, machte sich der Päpstliche Nuntius selbst auf die Suche. In aller Geheimhaltung zog er Erkundigungen über den Münsteraner Theologieprofessor Adolf Donders ein. Als er dem völlig überraschten Donders eröffnete, ihn beim Papst als neuen Hildesheimer Bischof vorschlagen zu wollen, reagierte Donders entsetzt. "Vor Gott und meinem ganzen Berufswirken flehe ich Eure Excellenz an", nicht Bischof werden zu müssen, so Donders. Seine "stets quälende Herzerweiterung" lasse ein solches Amt nicht zu.
Pacellis Wahl fiel schließlich auf den Trierer Regens Nikolaus Bares. Und während der Hildesheimer Domhof seine Wahllisten präparierte, wurde Nikolaus Bares in aller Heimlichkeit zwischen Pacelli, dem Papst und der Preußischen Staatsregierung zum neuen Bischof bestimmt. Hildesheim erfuhr dies einen Tag später aus der Zeitung! Entsetzt telegraphierte das Domkapitel nach Berlin zu Nuntius Pacelli, der die Zeitungsberichte mit trockenen Worten bestätigte.
Bald darauf wurde zwischen dem Vatikan und Preußen das Preußische Konkordat geschlossen, das die Wahl eines neuen Bischofs in Hildesheim genau regelt. Schon an der nächsten Hildesheimer Bischofswahl 1934 war das Domkapitel wieder beteiligt. Es bleibt die neue Erkenntnis aus den Forschungen Flammers: Der spätere Papst Pius XII hat als Päpstlicher Nuntius in Deutschland weit stärker die Fäden gezogen, als das bisher bekannt war.